Haben Sie sich schon einmal gefragt, was eigentlich schön ist? – Ganz sicher, denn: Ca. 80 mal am Tag verwenden wir das Wort „schön“. In wenigen Millisekunden beurteilen wir was schön oder eben nicht schön ist. Weitere bekannte Zahlen zu Thema Schönheit sind das Schönheitsideal von 90/60/90 – dieses erreichen nur 0,06% aller Frauen. Und trotzdem versuchen viele alles um diesem Ziel näher zu kommen oder es zu erreichen. Und in diesem Spannungsfeld zwischen Anspruch und Realität befinden wir uns alle, vor allem auch die Plastischen Chirurgen.

Über die Jahrhunderte von Nofretete über Boticellis Venus bis Greta Garbo, Audrey Hepburn, Marylin Monroe bis zu Michelle Pfeiffer wurde Schönheit immer bewundert und gleichzeitig mystifiziert. Schönheit hat einen speziellen Zauber, zieht uns unweigerlich an und hat eine unbeschreibliche Kraft und Magie.

Schon ein hübsches Baby erfährt mehr Zuwendung und wird länger angelächelt als ein weniger hübsches. Die attraktivere Kellnerin bekommt mehr Trinkgeld als ihre weniger attraktive Kollegin, der attraktivere Bewerber ein höheres Gehaltsangebot, der besser aussehende Politiker mehr Stimmen. Schönheit ist allgegenwärtig und lässt uns nicht kalt.

Aber warum hat Schönheit derart viel Macht über uns? Wie kommt es, dass Schönheit so im Zentrum unserer Träume, Sehnsüchte und Glücksfantasien steht? Der größte Kosmetikhersteller der Welt ist an der Börse mehr wert als der weltgrößte Autohersteller. Medien, Film und Werbung versorgen uns tagtäglich und rund um die Uhr mit Bildern schöner Gesichter und Körper. Bis zu 5000 manipulierte Fotos sind es in der Woche, die wir dabei als Ideal und Vorbild präsentiert bekommen.

Doch was bedeutet eigentlich wirklich „schön“? Was zieht uns an einem schönen Gesicht so magisch an? Und: Ist Schönheit messbar bzw. machbar?

Attraktivität und Schönheit

Man kann versuchen Schönheit zu beschreiben:

Attraktivität kann als die „kleine Schwester“ der Schönheit bezeichnet werden: Unter Attraktivität versteht man die visuellen Eigenschaften eines Gesichtes, die ansprechend für den visuellen Sinn eines Betrachters sind.

Die „grosse Schwester“ Schönheit ist geht da viel weiter und tiefer und ist daher auch komplexer: Schönheit als Ansammlung von Eigenschaften, die visuell, akkustisch oder auf andere Sinne, den Intellekt und/oder die Moral ansprechend wirken definiert.

Man kann versuchen Schönheit zu messen: Messbare Parameter sind Längen, Winkel, Volumen, Farben, Oberflächen, Proportionen, Symmetrielinien etc. Aber eine definierte Formel für Schönheit gibt es nicht. Viele unserer heutigen Schönheitsideal stammen aus der Vergangenheit bis zurück zur Antike. Der Goldene Schnitt spielte dabei immer wieder eine wichtige Rolle. Er beschreibt das ideale Verhältnis von zwei Längen und wird durch die magische Zahl Phi repräsentiert. Viele antike Kunstwerke und Bauwerke, aber auch heutige schöne Dinge beruhen auf diesem Verhältnisideal, der Weisheit letzter Schluss dürfte er jedoch auch nicht sein. Bis zum heutigen Tag gibt es auch keine Einheit, die Schönheit misst.

Die Analyse eines schönen Gesichtes ist komplex: Sehr oft berufen wir uns in der Plastischen Chirurgie auf Fotos (2D). Aber wäre nicht 3D besser? Und gibt es eine vierte Dimension der Schönheit? (4D/Schönheits-Energie) Schaut man sich die umfassende Definition von Schönheit an so sollten Aspekte wie Bewegung und Mimik bei der Schönheitsanalyse nicht fehlen. Die meisten Analysen beruhen nämlich auf zwei mimischen Grundstellungen: neutraler und lächelnder Gesichtsausdruck. Weiters stellt sich die Frage nach der Vermessung von Einzelteilen eines Körpers  oder aber in weiterer Folge von Körperproportionen bzw. der Gesamtheit eines Gesichtes oder einer Brust. Wie misst man die Hautqualität und subtrahiert dabei zusätzliche Faktoren wie z. B. make-up am besten?

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Leo Zogmayer, schön, 2003, Hinterglasmalerei, 150 × 200 cm.

Neue Studien zu Gesicht und Brust

Zum Thema schöne Brust zeigt eine Studie von Patrick Mallucci eindeutig, dass das ideale Verhältnis von oberem Brustanteil zu unterem Brustanteil 45:55 beträgt, d.h. die Brustwarze ist idealerweise leicht nach oben gerichtet. Diese Information ist für den Plastischen Chirurgen wichtig für die Planung einer Bruststraffung oder Brustvergrösserung.

Im Bereich Gesicht steht die Augenbraue sehr oft im Fokus der Schönheitsanalyse. Dabei hat sich bei aktuellen Analysen gezeigt, dass die ideale Augenbraue bei Frauen in den ersten zwei Dritteln ansteigt, um dann am letzten Drittel wieder leicht abzufallen. Dies steht im Gegensatz zu früheren Schönheitsvorbildern einer Marlene Dietrich, die für ihren runden Augenbogen bewundert wurde. Ältere Beurteiler, die mit ihrem Ideal aufgewachsen sind, beurteilen sie auch immer noch schöner als die sehr jungen Beurteiler. Hier hat sich die ideale Position der Braue in den letzten Jahren leicht abgesenkt und für viele gilt Cara Delevingne mit ihren breiteren und tiefer stehenden Augenbrauen als Schönheitsideal.

Das Streben nach Jugendlichkeit

Es ist nicht leicht zu sagen, wer oder was schön ist. Bekannte Determinanten für Attraktivität jedenfalls sind Jugendlichkeit, Geschlechtsdimorphismus, Symmetrie und Durchschnittlich- keit. Das erklärt das Streben nach Jugendlichkeit. Zum Thema Alterungsprozess gibt es interessante Fotostudien eines plasti- schen Chirurgen aus Amerika, Val Lambros. Er hat anhand standardisierter Fotografien den Alterungsprozess analysiert und dabei folgendes herausgefunden: Die Augenbrauen, die Querfalten seitlich der Augen und die Lid-Wangen-Verbindung bleiben meist konstant und sinken nicht wirklich ab.

Er schlussfolgert daraus, dass das vertikale Absinken nicht immer eine Hauptkomponente des Alterungsprozesses ist. Das zeigt sich im Bereich der Augenbraue folgendermaßen: Der nor- male Alterungsprozess bewirkt, dass ca. 28 % der Augenbrauen angehoben werden, ca. 41 % von der Höhe her gleich bleiben und ca. 29% der Augenbrauen absinken. Die Augenbraue sinkt jedenfalls nicht so viel ab wie ein typisches Brauenlift sie anhebt. Korrekturen sind daher an den individuellen Alterungsprozess anzupassen. Und was dabei in einem jungen Gesicht gut aus- sieht, muss nicht unbedingt auch in einem älteren Gesicht gut aussehen. Und weiter – Altern ist ein nicht linearer, multimo- daler und individueller Prozess.

Volumenverlust an Skelett und Weichteilen dürfte laut letzten Untersuchungen im Gesicht eine wichtige Rolle spielen: Volu- menkorrekturen an ganz speziellen Punkten und Regionen spie- len bei der modernen Gesichtsverjüngung eine zentrale Rolle. Gerade in diesem Bereich kann eine Korrektur aber auch schnell übertrieben werden. Ein gutes Gefühl für die richtige Dosis und die idealen Proportionen ist dabei entscheidend. Das wusste ja auch schon ein altbekannter und berühmter Vertreter unserer Kunst – Paracelsus.

Ein Mindestmaß an Symmetrie wird positiv beurteilt. 100 %ige Symmetrie gibt es am menschlichen Körper nicht. Viele Schön- heitsikonen wie Karl Lagerfeld oder auch Marc Jacobs betonen immer wieder, dass bestimmte Abweichungen vom Ideal erst den speziellen Reiz ausmachen und das gewisse Etwas verleihen kön- nen. Übersteigt die Abweichung von der Norm ein gewisses Aus- maß wird es aber zunehmend als negativ beurteilt, als möglicher Hinweis auf Schwächen oder Erkrankungen. Dieser Aspekt spielt speziell auch bei der Partnerwahl eine große Rolle – und die Part- nerwahl beeinflusst dadurch auch unsere Schönheitskriterien.

Geschlechtsdimorphismus und Durchschnittlichkeit

Unter Geschlechtsdimorphismus versteht man, vereinfacht ge- sagt, dass eine Frau typisch weibliche Merkmale und ein Mann typisch männliche Merkmale aufweist. Beispiele dafür sind bei der Frau hohe Wangenknochen, eine schmale Nase, volle, ge- pflegte Lippen und ein schmaler Hals. Diese Merkmale werden gleichzeitig als besonders attraktiv empfunden.

Unter Durchschnittlichkeit wird folgendes Phänomen verstanden: Legt man z. B. die Gesichter der Landessiegerinnen der Miss-Germany-Wahl übereinander (mit Computerunterstüt- zung nennt man das Morphing), so ist das Produkt immer schö- ner als die von der Jury gewählte Siegerin. Der Durchschnitt siegt also gegen die einzelne Schönheit. Beim Morphing wird allerdings die Haut automatisch schöner und das Gesicht wei- cher gezeichnet – und schon allein dadurch schöner als das Aus- gangsbild: Aspekte, für die das Morphing oft kritisiert wird.

Einen ähnlicher Ansatz zur Kreation eines Schönheitsideals durch Übereinanderlegen von schönen Gesichtern aus Zeitschriften der 1990er-Jahre hatte der Amerikaner Stephen Marquardt. Er entwickelte daraus die Phi-Maske zur Analyse von Gesichtsstrukturen und -komponenten. Die Phi-Maske unterstützt die Darstellung von Proportionen und Symmetrien eines menschlichen Gesichtes. Sie funktioniert an Gesichtern über viele Jahrhunderte zurück und eignet sich auch zum Op- timieren von nicht schönen Gesichtern. Abbildung 2 zeigt eine Arbeit des Künstlers Pirmin Blum, der die Phi-Maske von Ste- phen Marquardt künstlerisch überarbeitet hat (Marlene Dietrich, 2015, Inkjet Print 106×89, Edition 2+1 AE).

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Arbeit des Künstlers Pirmin Blum, der die Phi-Maske von Stephen Marquardt künstlerisch überarbeitet hat (Marlene Dietrich, 2015, Inkjet Print 106×89, Edition 2+1 AE).

Die Phi-Maske wurde allerdings immer wieder dafür kriti- siert, dass sie v. a. weiße Menschen repräsentiert und Gesichter auch zu sehr vermännlicht. Tatsächlich gibt es aber eine eigene Maske für Frauen und Männer, die den individuellen Gegeben- heiten des weiblichen und männlichen Gesichts Rechnung tragen. Selbst für Babys und Kinder hat Stephen Marquardt eine eigene Maske entwickelt. Und ethnischen Unterschieden hat er ebenfalls mittlerweile Rechnung getragen. Aus persönlicher Kommunikation mit Stephen Marquardt weiß ich, dass er Audrey Hepburn und Pierce Brosnan als die am besten in die Maske passenden Persönlichkeiten sieht. Weitere Informatio- nen zu seiner Theorie sind auf www.beautyanalysis.com zu fin- den. Aber auch die Phi-Maske ist möglicherweise nicht der Weisheit letzter Schluss.

Ein weltbekanntes und beliebtes Schönheitsideal ist Barbara Millicent Roberts, geboren am 9.3.1959 in Wisconsin, kurz auch Barbie genannt. Sie feierte letztes Jahr ihren 55. Geburtstag und besitzt die überirdischen umgerechneten Köpermasse von 99-46-84. Laut einer wissenschaftlichen Untersuchung wäre sie nicht lebensfähig: Barbie könnte nicht atmen oder aufrecht gehen, im Bauchraum wäre nur Platz für eine halbe Leber und wenige Zentimeter an Darm und Barbie wäre außerdem unfruchtbar. Trotzdem gibt es für Barbie und auch Ken menschliche Nachahmer, die ihrem Ideal schon relativ nahe kommen, auch wenn dafür Rippen entfernt werden müssen und die plas- tische Chirurgie einen Großauftrag ausführte.

Das Schönheitsideal wird, wie v.a. am Körperideal der letz- ten hundert Jahre gut zu erkennen ist, von einer zeitlichen Kom- ponente beeinflusst. Generell kann man dabei einen immer schnelleren Wechsel von Moden und Idealen in letzter Zeit fest- stellen.

Eine weitere Komponente stellt trotz Globalisierung die ört- liche Komponente dar. Ein interessantes Experiment startete hier die amerikanische Journalistin Esther Honig. Sie verschick- te ihr ungeschminktes und unbearbeitetes Portrait an 40 Per- sonen, die viel mit Photoshop arbeiteten, mit der Bitte ihr Portrait zu verschönern. Die Ergebnisse sind überraschend unter- schiedlich. Ein Kultur- und Ortseinfluss lässt sich trotz allge- meinem Globalisierungstrend eindeutig ableiten.

Ist Schönheit machbar?

Ein Thema, das ästhetische Dermatologen und plastische Chirurgen tagtäglich beschäftigt, ist die Frage nach der Machbar- keit von Schönheit: Die Möglichkeiten, die uns in der heutigen Zeit zur Verfügung stehen sind: Ernährung und Diät, Training, Make-up, Styling/Mode, ästhetische Behandlungen und Ope- rationen oder auch die Konzentration und Arbeit an der inne- ren Schönheit.

Die natürlichen Grenzen, die wir auch im 21. Jahrhundert und auch als plastische Chirurgen immer wieder bemerken, sind die Belastbarkeit von Gewebe und entstehende Narben, Gene und Qualität von Skelett, Weichteilen und Haut, Belastungen und Stress sowie auch finanzielle und zeitliche Einschränkungen. Laut Analysen bekommen interessanterweise schöne Eltern nicht automatisch schönere Kinder. Ernährung und auch die soziale Situation der Eltern spielen dabei eine weit wichtigere Rolle als bisher angenommen.

Denkt man an die Machbarkeit von Schönheit, fällt einem unweigerlich Michael Jackson ein, der als Kunstfigur erhaben über Hautfarbe, Geschlecht, Alter und auch Klasse war. Analy- siert man seine Verwandlung, so kann man feststellen, dass vor allem das Gewebe irgendwann nicht mehr mit dem Wunsch nach noch mehr Veränderung mithalten konnte.

Cindy Jackson ist in puncto Veränderung eine weitere Prota- gonistin. Als Kunststudentin entwarf sie ihr persönliches Wunschbild und realisierte es mit ausgewählten ästhetischen Behandlungen und Operation und schaffte es mit über 60 gro- ßen plastisch-chirurgischen Operationen ins Buch der Rekorde als meist operierte Frau der Welt. Vorbild der ersten Hälfte der Operationen war Barbie, in der zweiten Hälfte dann Brigitte Bardot. Cindy Jackson kommt dadurch, unter großem Einsatz, ihren Vorbildern sehr nahe – aber wer ist/war schöner – Cindy Jackson oder Brigitte Bardot? Und wer von den beiden wird schöner und besser alt? Wie eine Schönheitsformel aussehen könnte zeigt ▶Abb.3.

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Schönheitsformel by Dr. Peter Durnig

Fazit

Zusammenfassend kann man sagen, dass Schönheit immer auch individuell ist (Schönheit liegt im Auge des Betrachters; Zeit, Ort und persönlicher Geschmack spielen dabei eine Rolle). Ein Rest von geheimnisvollem Mysterium wird immer bleiben. Und abschließend wie einleitend stellen sich die Fragen: Können wir Schönheit überhaupt messen? Und schließlich: Was ist schön?


Dieser Artikel wurde in Ästhetische Dermatologie und dem Journal hautnah publiziert – Vielen Dank für die Veröffentlichung!

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